von Jonas Schmid, erschienen im VCS-Magazin 1/23.
Geteilte Mobilität – oder kollaborative Mobilität – schont aufgrund der besseren Auslastung von Fahrzeugen und Infrastrukturen endliche Ressourcen. Gleichzeitig werden neue alternative Mobilitätsoptionen geschaffen und damit die Abhängigkeit vom Privatauto reduziert. Soweit die theoretischen Nachhaltigkeitseffekte geteilter Mobilität. Gelten diese auch für die neuen Mikromobilitätsangebote? Welche verkehrlichen Effekte sind bei der Beurteilung des ökologischen Fussabdrucks geteilter Mobilität zu berücksichtigen?
Weitgehende Einigkeit besteht hinsichtlich der positiven Wirkungen des Carsharings, das im Pionierland Schweiz auf
eine über 30 Jahre dauernde Entwicklung
zurückblickt. Aus der Forschung ist bekannt,
dass ein Carsharing-Auto bis zu ein Dutzend
private Autos ersetzt. Daraus resultiert in der
Schweiz unter dem Strich jedes Jahr eine Einsparung von Zehntausenden Tonnen CO2.
Die Auswirkungen neuer Mobilitätsangebote, wie das E-Scooter- und E-Bike-Sharing, werden bisweilen kontrovers diskutiert. Mit dem Verweis auf eine Studie der ETH Zürich war in einigen Medien kürzlich vom «klimaschädlichen» E-Scooter-Sharing zu lesen. Ein Angebot, das sich aktuell in vielen Schweizer Städten etabliert, weil eine grosse Nachfrage danach besteht. Die Prämissen und Modelle, auf denen die besagte Studie basiert, sind in mehrfacher Hinsicht unzu- © Emanuel Freudiger, TCS reichend beziehungsweise bereits überholt. Dank erhöhter Lebensdauer und emissionsfreiem Flottenmanagement nähert sich die Klimabilanz von geteilten E-Scootern und E-Bikes bereits heute jener des öffe tlichen Verkehrs (ÖV) an. Das wird durch neuere «Life Cycle Assessments» (LCA), wie sie in Studien von renommierten Forschungseinrichtungen wie dem Fraunhofer Institut genutzt wurden, bezeugt.
Grundsätzlich greift es zu kurz, neue Angebote geteilter Mobilität nur daran zu messen, wie viele Auto- respektive ÖV-Fahrten sie kurzfristig ersetzen. Entscheidend ist vielmehr der Beitrag, den sie mittel- bis langfristig für eine multimodale und effiziente Gesamtmobilität leisten. Geteilte Mobilität hat ein grosses Potenzial, den traditionellen ÖV zu «veredeln», indem sie Lösungen für die erste und letzte Meile sowie Angebote in Randzeiten und in schlecht erschlossenen Räumen bereitstellt. Wer ergänzend zum ÖV auf vielfältige, zuverlässige und gut vernetzte Sharing-Angebote zählen kann, ist weniger auf ein eigenes Auto angewiesen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die neuen Geschäftsmodelle geteilter Mobilität weiter ausgerollt und konsequent in das Gesamtsystem integriert werden. Voraussetzung dafür sind ein intensiver Dialog zwischen Branche und öffentlicher Hand rund um die Angebotsplanung sowie gute Rahmenbedingungen für den Betrieb der Flotten und die Nutzung von Flächen im Verkehrsraum. Je besser die Integration ins Gesamtverkehrssystem gelingt, desto mehr Emissionen werden durch geteilte Mobilität eingespart.