Finden Sie hier die Charta von CHACOMO im PDF-Format.
Die gegenwärtigen globalgesellschaftlichen Herausforderungen mit ihren enormen sozialen, ökologischen und ökonomischen Transformationserscheinungen verändern auch die Angebots- und Nachfragestrukturen im Mobilitätssektor auf weitreichende Art und Weise. Angetrieben durch verkehrstechnische und mobilitätskulturelle Innovationen, bieten sich im Kontext dieses grossen gesellschaftlichen Wandels auch für den Schweizer Mobilitätssektor neue Chancen, den Personen- und Güterverkehr besser an den Prinzipien einer sozial, ökonomisch und ökologisch nachhaltigen Entwicklung zu orientieren.
Den Nährboden für die Entstehung dieser «Neuen Mobilität» liefert dabei insbesondere der fortschreitende Zerfall einer alten bipolaren Verkehrswelt mit dem klassischen öffentlichen Kollektivverkehr auf der einen und dem privaten Individualverkehr auf der anderen Seite. Mit der Entstehung eines «kollaborativen Verkehrssystems», in dem sowohl neue als auch etablierte Verkehrsanbieter mit geteilten Mobilitätswerkzeugen, alternativen Geschäftsmodellen und hochdigitalisierten Betriebsstrukturen den Schweizer Mobilitätmarkt in Richtung einer «Shared Mobility» verändern, geraten auch die politischen Prämissen und regulatorischen Rahmenbedingungen unter Veränderungsdruck.
Um in der Schweiz den neuen Markt einer «geteilten Mobilität» weiter zu entwickeln und noch zukunftsfähiger werden zu lassen, konstituiert sich mit dieser Gründungscharta die „Swiss Alliance for Collaborative Mobility“ als neuer politisch aktiver Verband und Ansprechpartner für Schweizer Gebietskörperschaften, Fachspezialist:innen und Medienschaffende. Unter dem Namen „CHACOMO», ermöglicht diese Allianz den Anbieter:innen von Car-, Ride-, Bike-, oder Micro-Sharing-Diensten sowie sämtlichen anderen Mobilitätsplattformbetreiber:innen die Vertretung ihrer Interessen gegenüber der Exekutive und Legislative auf lokaler, kantonaler und nationaler Ebene. Die anlässlich dieser Gründung vorgelegte «SWISS SHARED MOBILITY CHARTA» bietet mit ihren 10 Grundsätzen ein breit abgestütztes Fundament für den kollaborativen Wandel des heutigen Strassenverkehrs und formuliert die Leitgedanken für die künftige Arbeit von CHACOMO.
Kollaboration, Partizipation, Interaktion und Kommunikation sind die Leitmotive der globalen «Share Economy» und bestimmen auch die künftige Ausgestaltung einer geteilten urbanen Mobilität. Nur durch ein verstärktes „Mit- und nicht Gegeneinander“, welches durch ein gemeinschaftliches Mobilitätshandeln in allen Lebens- und Politikbereichen geprägt ist, können Städte und Regionen den vielfältigen Mobilitätsbedürfnissen ihrer Bürger:innen künftig gerecht werden.
Die Planung und der Betrieb heutiger Verkehrsinfrastrukturen bedient in erster Linie die Bedürfnisse der klassischen Verkehrsträger des öffentlichen, individuellen und aktiven Verkehrs. Mit der Verbreitung einer geteilten Mobilität muss auch die Organisation des Verkehrsraums mit seinen Infrastrukturen für den rollenden und ruhenden Verkehr kollaborativer werden.
Kollaborative Mobilitätsangebote werden wie jede andere Verkehrsinnovation an ihren Umweltwirkungen gemessen. Nur wenn Sharing-Modelle helfen, die Umweltbelastungen des Verkehrs, den Treibhausgasausstoss und Ressourcenverbrauch in der Bilanz zu reduzieren, machen sie verkehrspolitisch Sinn.
Der Bedeutungszuwachs der „Shared Mobility“ ist eng verzahnt mit enormen Investitionen und disruptiven Geschäftsmodellen in Folge des Verkehrsmarkteintritts von globalen Risikokapitalgebern und ICT-Konzernen. Parallel dazu innovieren etablierte Fahrzeugproduzenten und Mobilitätsanbieter ihre bisherigen Angebote. Diese neue Dynamik ermöglicht weitreichende Reformen im Schweizer Verkehrssektor.
Die „Shared Mobility“ ist zu einem Grossteil datengetrieben. Für eine optimale Bereitstellung der unterschiedlichen Dienste benötigt sie einerseits die Datengrundlagen der öffentlichen Hand und andererseits liefert sie umfängliche Datensätze, welche künftig als wichtige Ressource zur Optimierung der Verkehrsplanung und des Verkehrsmanagements dienen. Für diesen Datenaustausch braucht es eine verstärkte Dialogbereitschaft zwischen Industrie und Verwaltung, verbindliche Standards für den Datenaustausch, sowie den Schutz persönlicher Daten.
Der hervorragend ausgebaute öffentliche Verkehr ist strukturbildend für die Alltagsmobilität in der Schweiz. Er kann seine zentrale Rolle mit der Integration unterschiedlicher Sharing-Dienste nur noch verbessern – und verwandelt so die „Shared Mobility“ in eine echte kollaborative Mobilität.
In der «Shared Mobility» waren die internationalen Metropolen in den vergangenen Jahren die grossen Innovationstreiber – und das gilt bis dato in ähnlicher Weise und in kleinerem Massstab auch für die Schweiz. Hierzulande besteht nun allerdings auch die Chance (und die Notwendigkeit), angesichts der übergeordneten raumplanerischen Ziele und der historisch gewachsenen Schaffung ausgeglichener Lebensbedingungen in allen Schweizer Teilräumen, auch in kleineren Städten und in weniger dicht besiedelten Regionen eine qualitativ hochwertige Versorgung mit „Shared Mobility Services“ zu gewährleisten.
Geteilte Mobilitätswerkzeuge weisen aufgrund der vielfältigen an sie gestellten Nutzungsansprüche andere technische Spezifikationen auf als private Fahrzeuge. Nur wenn das « Sharing » als ganzheitliches Design-Prinzip zum integralen Bestandteil künftiger Fahrzeugtechnik wird, lassen sich Sharing-Modelle so betreiben und nutzen, dass mit ihnen eine möglichste hohe Nachfrage generiert wird.
Die „Shared Mobility“ steht ökonomisch, politisch und kulturell sicher noch in den Kinderschuhen. Aber auch in technologischer Hinsicht befindet sich die Branche noch keinesfalls am Ende ihrer Entwicklung, wie das beispielsweise bei verbrennungsmotorischen Antriebssträngen der Fall ist. Insbesondere die anstehenden digitalen Technologiesprünge in der „Shared Mobility“ erfordern die Anpassung rechtlicher Rahmenbedingungen an die unternehmerischen Bedürfnisse der neuen Marktakteure.
Als Land der Erfinder:innen des Car-Sharings in den 1990er- und des E-Cargobike-Sharings in den 2010er-Jahren gilt die Schweiz international als «Shared Mobility Pioneer». Dieses Image und das Erfahrungswissen sollen künftig noch besser vermarktet werden und helfen, neue und innovative Formen der Zusammenarbeit zwischen etablierten heimischen Akteuren und neuen internationalen Anbieter:innen zu entwickeln.