Die jüngste Studie aus dem Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme der ETHZ zu den Umwelteffekten geteilter, elektrischer Trottinettes und ihre deren Aufbereitung zeigen klar, welche Nachhaltigkeitschancen noch im „Scooter-Sharing“ stecken und in welche Richtung die Anbietenden künftig denken und handeln müssen, damit sich ihr Geschäftsmodell ökonomisch, sozial und ökologisch nachhaltig weiterentwickelt.
Die ökologische Nachhaltigkeit steht und fällt mit der CO2-Bilanz des Scooter-Sharings, d.h. in der Erfassung der CO2-Emissionen pro Personenkilometer. Allerdings lässt die aktuelle Datenlage hier recht viel Spielraum für institutionelle Interpretationen und persönliche Vorlieben, da die Lebenszyklusanalysen (LCAs) der „Trottis“ im Sharingbetrieb einerseits nicht lückenlos erhoben und andererseits recht schnell veraltet sind. So spiegeln die LCA-Daten der ETHZ-Studie dann auch nicht die grossen CO2-Einsparungen der letzten zwei Scooter-Generationen wieder. Aufschlussreicher ist hier eine Untersuchung der "Deutschen Energieagentur", die bei Markteintritt der Trottis in Berlin von 197 g CO2-Äq./pkm in 2019 ausgeht und das Treibhauspotenzial in 2021 bereits bei 59 g CO2-Äq./pkm sieht. Gemäss der unabhängig erstellten Lebenszyklusanalyse von Bird liegt der aktuelle Wert der neuen eScooter-Generation sogar bei bereits 57 g CO2-Äq./pkm. Die aktuelle ETH-Studie beziffert die Emissionen mit 106 Gramm hingegen fast doppelt so hoch – und kommt dementsprechend auch zu deutlich schlechteren Substitutionseffekten!
Die bereits gemachten und künftigen Quantensprünge bei der Umweltbilanz von geteilten Scootern sind zurückzuführen auf deutliche Verbesserungen bei der Herstellung, dem Transport vom Produktionsstandort am Einsatzort, dem Sammeln und Verteilen mit energieeffizienteren Fahrzeugen und der Recyclierung. Dass sämtliche Scooter-Sharer nicht nur mit ambitionierten Klimazielen glänzen, sondern eben auch mit Klimahandeln brillieren, liegt natürlich auch daran, dass sie mittlerweile im Fokus der etablierten Platzhirsche am Verkehrsmarkt geraten sind, allen voran den Bewahrern eines klassischen öffentlichen Beförderungsgeschäftes, die in den Mikromobilitätsanbietern noch allzu oft den Kannibalen wittern und weniger den Partner, der ihnen hilft, auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben.
Mittlerweile ist aber unbestritten, dass die Benefits des „Micro-Sharings“ (egal ob Velo oder Scooter) gerade darin liegen, den ÖV in Spitzenzeiten und in den Kernstädten zu entlasten, ihn in den Schwachlastzeiten zu ergänzen und ihn an den Ballungsrändern besser anzubinden.
Es greift also zu kurz, wenn sich die öffentliche Diskussion, beflügelt durch eine einseitige Fokussierung auf einzelne Teilaspekte des „Scooter-Sharings“, nicht den grossen Transformationsperspektiven widmet, die von der Shared Mobility geboten werden. Wer in mehrdimensionalen Systemen denkt und nicht die Interessen einzelner Verkehrsträger zu vertreten versucht, erkennt schnell, dass „Nutzen statt Besitzen“ langfristig ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltiger ist. Das Auto im Privatbesitz parkiert in städtischen Quartierstrassen oder die mal volle und mal leere, aber fast nie kostendeckend und nutzerfreundlich besetzte Tram in unseren Innenstädten, sind für sich genommen sicher nicht die Garanten einer sozial gerechten und klimafreundlichen Stadtmobilität.
Mehr dazu:
Studie von Daniel Reck: Mode choice, substitution patterns and environmental impacts of shared and personal micro-mobility - ScienceDirect
Zeitungsbericht NZZ, 1. Januar 2022: ETH-Studie: E-Scooter schädigen das Klima (nzz.ch)
Lebenszyklusanalyse: Die von Bird veröffentlichte unabhängige Lebenszyklusanalyse für Fahrzeuge ist die erste ISO-geprüfte Ökobilanz der Branche und zeigt, dass die neue Generation von eScooters mit einer Lebensdauer von fünf Jahren zu den emissionsärmsten Fahrzeugen auf der Strasse gehören.
Letzte Aktualisierung: 25.10.2022